Wie lassen sich Demokratieprojekte so planen und umsetzen, dass sie eine möglichst große Wirkung zeigen? Wie können effektiv Veränderungen angestoßen werden? Und wie können Jugendliche möglichst gut beteiligt werden? Das waren die zentralen Fragen beim Digitalcafé „Projekte mit Wirkung. Demokratieprojekte beteiligungsorientiert starten und gestalten“ am 17.09.2024.
Wer ein Projekt mit Jugendlichen plant, sollte sich lieber etwas weniger vornehmen als zu viel – soweit der gute Tipp. Dass es auch anders geht, zeigt das OPENION-Projekt „Spurensuche“https://www.openion.de/projekt/spurensuche_558/, das der Kinder- und Jugendring Mansfeld-Südharz als AG an der Sekundarschule „Am Salzigen See“ begleitet hat. „Schon in der Planung wurde klar, dass wir uns sehr viel vorgenommen hatten. Weil die Jugendlichen aber von dem erarbeiteten Ziel nicht zurücktreten wollten, haben wir entschieden, das in einer jahrgangs- und schuljahresübergreifenden AG umzusetzen“, berichten Tina Kühn und Peter Hahmann von ihren Erfahrungen.
Die Schüler:innen recherchierten zunächst zu einem Todesmarsch von Häftlingen aus dem nahe gelegenen Konzentrationslager Wansleben. Schließlich wurden insgesamt 12 Gedenktafeln entlang der damaligen Strecke aufgestellt. Dabei mussten zahlreiche Hürden wie etwa langwierige Genehmigungsverfahren für die Gedenktafeln genommen werden. Inzwischen steht das Projekt kurz vor dem Abschluss.
Doch wie gelingt es, Jugendliche über einen längeren Zeitraum zu motivieren? Entscheidend sei eine gute Beziehung, meint Hahmann. Es gehe um direkten Kontakt, Sympathie und Vertrauen. „Wenn ich nicht mit den jungen Menschen rede und mir anhöre, was denen wichtig ist, was sie erreichen wollen, dann funktioniert das einfach nicht“, ergänzt seine Kollegin Tina Kühn.
Dazu gehört auch, Störungen ernstzunehmen. „Störungen haben Vorrang“, sagt Kühn. „Es gibt immer Jugendliche, die gerade etwas anderes brauchen und sich vielleicht nicht auf das Projekt konzentrieren können.“ Dann sollte man versuchen, das aufzufangen und den Jugendlichen zeigen, dass man für sie da ist.
Ein anderer wichtiger Aspekt, um Jugendliche bestmöglich mitzunehmen, sei Transparenz, sagt Kühn. „Also den Jugendlichen klar zu sagen: Das ist der Rahmen, das ist das Netzwerk und das sind eure Möglichkeiten, euch in diesem Rahmen zu bewegen.“ Im weiteren Verlauf sollten die Jugendlichen jederzeit verstehen, wo das Projekt gerade stehe.
Wie viel Beteiligung sollte sein?
In einem Impulsvortrag betont auch Kathleen Schkade von der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS), dass ein gutes Projekt diskriminierungskritisch und ergebnisoffen sei und sich durchgehend an den Interessen und Bedürfnissen der Jugendlichen orientiere. Das bedeutet für die Projektsteuerung, immer wieder zu fragen, ob an der einen oder anderen Stelle noch etwas mehr Beteiligung möglich ist. Mitunter könne ein Projekt dann auch anders verlaufen, als zuvor gedacht. Von den Erwachsenen erfordert das, Macht abzugeben und den Prozess zu akzeptieren. Denn wichtiger als ein planmäßiger Ablauf sei es, dass die Jugendlichen Beteiligungsräume erleben, in denen sie selbst ein Projekt umsetzen.
Denn natürlich ist in ganz unterschiedlichem Ausmaß möglich. An einem Ende der Skala steht die Fremdbestimmung bzw. eine Alibi-Teilnahme, bei der Jugendliche etwa zu Konferenzen eingeladen werden, aber nicht an den Entscheidungen beteiligt sind. Am anderen Ende steht die Selbstverwaltung als maximale Form von . Doch wie viel Beteiligung ist im jeweiligen Projekt möglich? „Das Ziel ist nicht, dass jedes Projekt selbstverwaltet ist. Das kann auch zu einer Überforderung führen“, betont Schkade. Denn auch Beteiligung muss gelernt werden. Gerade junge Menschen haben oft noch wenig Erfahrung damit und müssen zunächst begleitet werden.
Welche Wirkung wollen wir?
Ganz klar: Die Wirkung, die man mit einem erzielen möchte, sollte von Anfang an mitgedacht werden. Bei der wirkungsorientierten Projektplanung gehe es darum, vom Ziel und von der Zielgruppe her zu denken, betont Jana Rothhardt von der DKJS. Was will ich bei der Zielgruppe verändern und welche Maßnahmen muss ich entwickeln, um diese Wirkungen zu erzielen? Dazu sollte auch die Zielgruppe genauer bestimmt werden. Möglicherweise richtet sich ein Projekt nicht allgemein an Jugendliche, sondern etwa an 12- bis 14-Jährige in Risikolagen. Die Aktivitäten und die Angebote in einem Projekt sollten dann an den Wirkungen ausgerichtet sein – nicht nur bei der Planung, sondern auch bei der Steuerung im Verlauf. „Diese Ziele, die ich mir setze, sollte ich immer im Blick behalten“, sagt Rothhardt.
Nach der IOOI-Methode stehen vier Aspekte am Anfang eines Projekts: Input, Output, Outcome und Impact. Der Input bezeichnet die Ressourcen, die zur Verfügung stehen, also wie viel Zeit, Geld, Personal und Ähnliches in das eingebracht werden können. Daraus ergibt sich der Rahmen dessen, was machbar ist. Der Output bezeichnet die Aktivitäten und Angebote, die während eines Projekts umgesetzt werden. Der Outcome sind die Veränderungen, die bei der Zielgruppe bewirkt werden. In Projekten mit Jugendlichen können das beispielsweise mehr Wissen und Kompetenzen, Veränderungen im Verhalten oder sogar der Lebenslage sein. Der Impact schließlich bezieht auf die gesellschaftlichen Veränderungen, die mit einem angeschoben werden können.
Am Ende eines Projektes sollte man sich unbedingt die Zeit für eine Evaluation nehmen und bilanzieren, welche Erfahrungen gemacht wurden, welche Schlüsse sich für Folgeprojekte ziehen lassen und welche weitergehenden Themen sich möglicherweise ergeben. Als eine altersübergreifende Methode bietet sich etwa die Starfish-Methodehttps://www.reflexionstool-demokratiebildung.de/materialien/starfish an. Um die Wirkung eines Projekts zu messen, schlägt Jana Rothhardt beispielsweise vor, eine Umfrage unter den Jugendlichen durchzuführen und mögliche Veränderungen abzufragen.
Um die Wirkung eines Projektes nachhaltig zu verstärken, können außerdem die Ergebnisse an die Öffentlichkeit getragen werden. Beim „Spurensuche“ des Kinder- und Jugendrings Mansfeld-Südharz wurde von Anfang an auch die AG Schülerzeitung miteinbezogen, um über die lokalgeschichtliche Recherche zu berichten. Neben den Gedenktafeln informieren zudem eine Webseite und ein Instagram-Account über die Ergebnisse. Zudem haben diverse Kooperationspartner:innen, die beispielsweise weiterhin die Gedenktafeln sauber halten, die Erinnerungsarbeit auch in die beteiligten Gemeinden hineingetragen.
Welches Wissen können wir weitergeben?
Transfer kann bedeuten, dass die Ansätze, Methoden und das Wissen, die während eines Projektes erarbeitet wurden, anderen zur Verfügung gestellt werden, die ein ähnliches planen. Jana Rothhardt stellt drei verschiedenen Arten des Transfers vor: Eine Möglichkeit sei die Diffusion. Beispielsweise könnte ein Methodenkoffer zur Demokratiebildung, der während des Projekts erarbeitet wurde, anschließend auf einer Webseite veröffentlicht werden. Das erworbene Wissen werde auf diese Weise allgemein zur Verfügung gestellt, aber nicht zielgerichtet verbreitet. Anders sei es, wenn ein solcher Methodenkoffer im Rahmen eines Workshops und damit direkt einer interessierten Gruppe vermittelt werde. Dies werde als Dissemination bezeichnet. Zudem ist Transfer im Sinne einer Adaption möglich. Die Übertragung findet dann in einem dialogischen Prozess statt, bei dem der Transfer-Gegenstand, also beispielsweise der Methodenkoffer, auf die Bedarfe der anderen angepasst werde, etwa indem einige Teile weggelassen oder auch verändert werden.
Wie können wir zum Mitmachen motivieren?
Abschließend geht es im Digitalcafé um eine Frage, die viele der Teilnehmenden umtreibt: Wie motiviert man Jugendliche, sich zu beteiligen, die nicht freiwillig, sondern im schulischen Kontext an einem teilnehmen? Kathleen Schkade weist daraufhin, dass in solchen Fällen auch Zertifikate hilfreich sein können: „Es kann durchaus motivieren, wenn ich einen Nachweis bekomme, was ich hier etwas Besonders gelernt habe.“ Eine andere Empfehlung: Ein in verschiedene Teile zu untergliedern, in denen unterschiedlich gearbeitet wird. Neben dem Hauptthema könnten Unterthemen gesucht werden, zu denen kleinere Gruppenarbeit stattfinden können. Jugendliche, die sich nicht beteiligen wollen, könnten auch eingebunden werden, indem sie die Projektarbeit etwa zeichnend oder malend dokumentieren. „Oder zu überlegen, könnten wir zwischendurch einen kleinen Projektstopp einlegen, in dem wir was anderes machen oder einfach Spaß miteinander haben?“, schlägt Kathleen Schkade vor. Lehrkräfte könnten zudem externe Expert:innen dazuzuholen, die vielleicht die Schüler:innen anders motivieren könnten, oder auch mit der Projektgruppen andere Orte außerhalb der Schule aufsuchen.
Was an diesem Nachmittag deutlich wird: und Wirkung sind Querschnittsthemen, die in allen Phasen der Projektarbeit eine wichtige Rolle spielen. Sie sollten bei der Planung, bei der Durchführung, beim Abschluss und schließlich bei der Evaluation berücksichtigt werden, um in Demokratieprojekten eine größtmögliche zu ermöglichen und eine nachhaltige Wirkung zu erzielen.
Dieser Beitrag wurde von Wibke Bergemann, Journalistin, verfasst.
Weitere Materialien, Methoden und Tipps vom Digitalcafé findet ihr in den Taskcardshttps://dkjs.taskcards.app/#/board/9d041103-149e-4d7f-af17-ef708f3c0495/view?token=2ba0a094-e956-4937-879c-830b69c4a30f.